Im Jahre 1909 wurde im Rahmen der Reichsfinanzreform gemeinsam mit einer Reihe weiterer Bagatellsteuern in Deutschland eine besondere Zündholzsteuer auf Streichhölzer und andere Zündwaren erhoben. Man erhoffte sich einen beachtlichen Ertrag, denn in anderen europäischen Staaten flossen dem Staat beachtliche Summen aus derartigen Steuern zu.

„Wie jede Steuer, die den breitesten Massenkonsum erfaßt, so mußte auch die Zündholzsteuer die unteren Klassen des Volkes verhältnismäßig viel mehr belasten, wie dessen obere Schichten. Und das ist natürlich, denn das Zündhölzchen ist nun einmal ein notwendiger Gebrauchsgegenstand, der in der kleinsten Hütte nicht fehlt. Daß auch das Publikum das Unsoziale der ganzen Steuer erkannte, beweist die spätere starke Erbitterung gegen sie.“
Walter Zürn, 1913


Mit der Zündwarensteuer sollte auch der von latenter Überproduktion gekennzeichnete Markt reguliert werden. Eine Kontingentierung erlaubte den Herstellern eine Produktion zum normalen Steuersatz nur bis zu einem bestimmten Umfang. Bei Überschreiten dieser Menge wurde ein erhöhter Steuersatz auf die gesamte Produktion erhoben.

In der Zeit vor Inkrafttreten des Gesetzes versuchte die Bevölkerung, sich durch Hamsterkäufe einen möglichst großen, Monate oder Jahre reichenden Vorrat an unversteuerten Streichhölzern anzulegen. Obwohl die steuerliche Belastung für den Einzelnen verschwindend gering war, nahmen die Hamsterkäufe einen enormen, teilweise grotesken Umfang an. Der Import von Streichhölzern verdreißigfachte sich, während der Export um 70% zurückging und alle Fabriken bis an die Grenze ihrer Kapazität produzierten.

„Es war, als wollte sich die ganze Sparsamkeit des Volkes im Wenigergebrauch von Zündhölzern konzentrieren. Es wurden wieder Fidibusse gebraucht, die halbverbrannten Zündhölzer nochmals benutzt, indem sie über der Lampe zum Entflammen gebracht wurden, von vielen Wirtshaustischen verschwanden die Zündholzständer, und nur aus Opposition gegen die Steuer.“
Zeitschrift für Zündwaren-Fabrikation, 1910


Nach Inkrafttreten der Steuer minimierten weite Teile der Bevölkerung ihren Zündholzverbrauch, um in einer Art passivem Widerstand gegen die verhasste Steuer zu protestieren. Als Baukasten wurde die „Galopp“-Miniatur-Zündholzfabrik angeboten, mit deren Hilfe man seinen persönlichen Bedarf selbst fabrizieren sollte. Einige Hersteller boten Streichhölzer mit zwei Zündköpfen an. Einen ähnlichen Zweck verfolgte ein „Streichholz-Spaltapparat“, mit dessen Hilfe der Verbraucher seine Zündhölzer der Länge nach spalten konnte. 

Unter dem Motto „Mach‘ Dein Feuer ohne Steuer“ griff eine nicht unerhebliche Zahl wieder auf den umständlichen Feuerstahl zurück, nur um die Steuern zu umgehen. Das Gesetz enthielt allerdings eine Lücke: Besteuert wurden nur Streichhölzer und andere mit einem Zündkopf versehene Zündwaren, nicht aber mechanische Feuerzeuge.

„Unter den verschiedensten Formen tauchten die mechanischen Feuerzeuge beim Publikum auf. Am gebräuchlichsten und bekanntesten sind die Taschenfeuerzeuge, daneben aber auch die Zündzangen, Gaszünder, elektrische Zigarrenzünder und ähnliches mehr.“ Mit einer Werbung wie „Wir brauchen keine teuren Streichhölzer Mehr“ und „Macht Euch Feuer ohne Steuer“ pries man die Feuerzeuge an und freute sich über den „Reinfall des Staates mit der Zündholzsteuer“.

„Kaum hat uns der Reichstag die Zündholzsteuer beschert, da wird auch schon der Markt mit „Feuerzeugen“ überschwemmt, die billigen Ersatz für die verteuerten Schweden bieten sollen. Der Landmann hinterm Pfluge holt wieder Zunder, Stahl und Feuerstein aus der Westentasche und klopft „Schwamm“. Im Schrank, wo die „alten“ Neuheiten ruhen, suchen wir nach dem Knipser, der durch ein Zündplätchen einen Benzindocht entzündet. Der Gentleman kauft sich ein Platinfeuerzeug.“
Max Gerlach, 1909


Es kam zu einem massiven Rückgang des Verbrauchs und in der Folge zu Fabrikschließungen, Massenentlassungen und Lohnkürzungen in der Zündholzindustrie. Die Besteuerung verstärkte jedoch nur einen bereits bestehenden Trend. Schon Ende des 19. Jahrhunderts wurde „das Zündhölzchen vielfach schon als lästiges und unbequemes Feuerzeug empfunden“, da das elektrische Licht es ermögliche, „dass mit dem Öffnen der Zimmerthür zugleich auch die ganze Behausung in hellem Lichte erstrahlt.“

Es waren es weniger die Feuerzeuge, die den Verbrauch der Streichhölzer zurückgehen ließen. Denn mit der zunehmenden Elektrifizierung der Haushalte wurde das Anzünden von Streichhölzern durch eine Drehung am Lichtschalter ersetzt. Hinzu kam die Ablösung der Kohle- durch Elektroherde und der Einzelheizung mit Kohleöfen durch Zentralheizungen.

„Lediglich, um gegen die ungeheure Preiserhöhung zu protestieren, sind alle möglichen Feuerzeuge, sogenannte Selbstzünder angeschafft worden. Den Zündhölzern sind in den Feuerzeugen Wettbewerber erwachsen, die heute derart die Gunst des konsumierenden Publikums erworben haben, daß die deutsche Zündholzfabrikation völlig darniederliegt.“
Zeitschrift für Zündwaren-Fabrikation, 1910



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