Beim Radschlossfeuerzeug handelt es sich – nach unserem heutigen Verständnis – um das erste Feuerzeug im engeren Sinne, da hier der Vorgang der Feuererzeugung durch Schlagen oder Reiben nicht mehr manuell, sondern durch eine Mechanik ausgeführt wird. 

Beim Radschlossfeuerzeug ist das Ende einer V-förmigen Feder über eine Kette mit einer Welle verbunden. Auf dieser Welle sitzt ein Rad mit mehreren Riffeln. Mit einem Schlüssel, der auf die Welle aufgesteckt wird, zieht man das Schloss auf. Die Kette wird um die Welle gewickelt und so die Feder gespannt. Dann wird der Hahn, zwischen dessen Backen ein Stück Pyrit gespannt ist, gegen das Rad gedrückt. Beim Auslösen des Radschlosses wird die Feder freigegeben. Sie wickelt die Kette von der Welle und versetzt so das daraufsitzende Rad in Drehung. Das über den Pyrit schleifende Rad erzeugt Funken, die auf den darunter liegenden Zunder fallen.

„hinden an der fallen ligt auch ein fewrzeug, vnd innen darinnen das schraiflin [Schräubchen], schwebelkertzlen, im daran das fläschlin das pulfer, disen spannt man wie ain büchs, thut pulfer auf die pfannen, setzt den stain darauf, richtet das schwebelkertzlin auch darauf, vnd schraufets [schraubt es] bej ainer bett-statt in die wand, so man nun will geschwünd ain liecht haben, so zeucht man beim bendlin die feder, so gibt das rad vnd stain fewr, wie auß ainer büchßen.“
Hans Kuenlin/Jois Müller, 1617


Die Entwicklung des Radschlossfeuerzeugs ist eng mit der Entwicklung der  Waffentechnik an der Wende zum 16. Jahrhundert verbunden. Das Radschloss wurde wahrscheinlich im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts in Nürnberg erfunden und diente zum Zünden von Handfeuerwaffen anstelle der zuvor üblichen Luntenschlossgewehre. Seine Erfindung ist lange Zeit fälschlich Leonardo da Vinci zugeschrieben worden, der im zwischen 1500 und 1505 angelegten Codex Atlanticus ein Radschloss und ein Radschlossfeuerzeug zeichnete. 

Doch bereits im Jahre 1501 wurden Radschlossgewehre außerhalb Italiens verwendet und eine vom Nürnberger Patrizier Martin Löffelholz 1505 angelegte Sammlung von Zeichnungen bekannter Erfindungen zeigt zwei verschiedene Radschlossfeuerzeuge. Beim ersten, primitiveren Typ wird das Rad von einem um die Welle gewickelten Lederriemen bei dessen ruckartigem Herausziehen in Drehung versetzt. Ein auf der gleichen Welle befestigter zweiter Riemen wird dabei gleichzeitig mit aufgewickelt, so dass das Feuerzeug sofort wieder benutzt werden konnte. Seine zweite Zeichnung zeigt ein Radschlossfeuerzeug mit einer Feder zum Aufziehen in der oben beschriebenen Art, das auf einer Trägerplatte befestigt ist. 

Um 1585 listete Balthasar Hakker, der Zeugverwalter des sächsischen Kurfürsten August, in einem knapp 2000 Werkzeuge umfassenden Inventar unter anderem ein Feuerzeug auf. Das älteste erhaltene Radschlossfeuerzeug wurde zwischen 1610 und 1617 von den Augsburger Schlossern Hans Jacob Kuenlin und Jois Müller für den sogenannten Pommerschen Kunstschrank angefertigt, einen für Herzog Phillip II. von Pommern angefertigten Kabinettschrank, der hunderte kleiner, künstlerisch veredelter Geräte sowie Kuriositäten und komplizierte Apparaturen enthielt. 

Die Zahl erhaltener Radschlossfeuerzeuge ist sehr gering. Anscheinend handelte es sich um Einzelanfertigungen. Neben dem Feuerzeug aus dem Pommerschen Kunstschrank ist noch ein Exemplar aus dem ehemaligen Bryant-and-May-Museum of Fire-making Appliances bekannt, das sich heute heute Science Museum London befindet. Ein weiteres, grob gearbeitetes Exemplar liegt im Deutschen Museum in München. Bei diesem handelt es sich um ein Gewehrschloss, das zu einem Feuerzeug umgearbeitet wurde, in dem man an das Schloss einen eisernen Fuß und drei Kerzenhalter anschmiedete.

Das auf dieser Seite abgebildete Radschlossfeuerzeug stammt aus der Mitte des 17. Jahrhunderts. Es ist mit „Pavl Kohl in Kappel“ bezeichnet und entspricht in Konstruktion und Gestaltung sogenannten Teschinken-Schlössern. Dieser Radschlosstyp wurde in der schlesischen Stadt Teschen zwischen 1590 bis gegen 1700 für Gewehre mit einer besonderen Schaftform an gefertigt wurde und der sich durch die außen am Schloss liegende Schlagfeder auszeichnet.

In England kamen Feuerzeuge, deren Rad mit einem um eine Achse gewickelten Riemen in Drehung versetzt wurde und daher der Löffelholz-Zeichnung von 1505 stark ähneln, etwa um das Jahr 1820 wieder in Gebrauch.  Von den in England als „wheel tinder-box“ oder „steel mill“ bezeichneten, aus lackiertem Eisenblech hergestellten Feuerzeugen sind nur wenig mehr als ein Dutzend Exemplare bekannt. Ihre Seltenheit erklärt sich aus dem Erfolg der gleichzeitig erfundenen chemischen Feuerzeuge bzw. Zündhölzer.

„In England hat man Feuerzeuge, bei welchen der Stahl die Gestalt einer Scheibe besitzt, und auf einer Achse befestigt ist. Letztere ist in horizontaler Lage auf einem kleinen Gestelle angebracht, trägt überdies eine eiserne oder hölzerne Rolle, und wird mittelst eines Drehbogens, dessen Saite man um die Rolle schlingt, schnell umgedreht. Während die eine Hand den Drehbogen führt, hält die andere gegen den Umfang der umlaufenden stählernen Scheibe dergestalt die scharfe Kante eines Feuersteins, daß die untere Fläche desselben mit einem Stückchen Schwamm in Verbindung steht, und letzterer wird augenblicklich durch die erzeugten häufigen Funken entzündet.“
Karl Karmarsch, 1835



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