Obwohl es an Quellen mangelt, steht es außer Zweifel, dass sich auch die Männer der Steinzeit rasierten. Am Beginn der Rasur in der Menschheitsgeschichte mag das Absengen der Barthaare mit glühenden Holzstückchen gestanden haben. Doch auch geschliffene Muschelschalen und scharfkantige Feuerstein- oder Obsidianklingen eignen sich zum Rasieren.

Seit der mittleren Bronzezeit wurden in Mitteleuropa spezielle Rasiermesser aus Metall verwendet. Es entwickelte sich ein großer Formenreichtum ein- und zweischneidiger Rasiermesser, die sich ausschließlich in den Gräbern erwachsener Männer fanden. Starke Abnutzung und Reparaturen zeugen von lebenslanger Nutzung. Anscheinend gingen die Rasiermesser im Rahmen von Initiationsriten zur Zeit der Geschlechtsreife in ihren Besitz über und standen offenbar nur Familienoberhäuptern oder Personen aristokratischer Herkunft zu. Das Rasiermesser der Bronze- und Alteisenzeit war somit ein Objekt mit besonderer Bedeutung, das seinen Besitzer besonders auszeichnete.

Der römische Geschichtsschreiber Diodorus Siculus berichtete, dass sich bei den Kelten gesellschaftliche Gruppen durch ihre Barttracht äußerlich abgrenzten: „Manche rasieren sich, manche lassen sich den Bart ein wenig wachsen. Die Vornehmen rasieren ihre Wangen glatt, lassen aber den Schnurrbart lang wachsen, so dass ihr Mund bedeckt ist.“ Haar- und Barttrachten waren nicht nur Zeichen gesellschaftlicher Differenzierung, sondern auch der am stärksten ethnisch betonte Aspekt der äußeren Erscheinung.

In der Antike fassten die Römer die glatte Rasur als Zeichen zivilisierter Lebensart auf und grenzten sich so von den bärtigen Barbaren ab. „Manche Stämme“, schrieb Isidor von Sevilla (660-636), „beanspruchen nicht nur durch ihre Kleidung, sondern am Körper irgendeine Art unterscheidendes Kennzeichen für sich, wie wir es in den Haarlocken der Germanen, dem Schnurrbart und Kinnbart der Goten und den Hautmalen der Briten sehen.“ Der Westgotenkönig Theoderich II. (†466) trug nur einen kurzen Backenbart: „Die Haare, die unter dem Nasenloch sprießen, wurden täglich kurzgeschnitten. Die Schläfen waren mit einem dichten Bart verziert, aber den Bart, der auf dem unteren Teil des Gesichts wächst, rasiert der Barbier regelmäßig bis auf die Wurzel“.

Dagegen rasierten sich die Franken bis auf einen Schnurrbart glatt. „Ihr überall rasiertes Gesicht“, schrieb Sidonius Apollinaris (431-486), „lässt für die Pflege mit dem Kamm nichts als einen schmalen Schnurrbart übrig.“ Die Langobarden hingegen leiteten ihrem Geschichtsschreiber Paulus Diaconus (um 720-799) zufolge gar ihren Namen von ihren langen Bärten ab.

Im Italien des 8. Jahrhunderts fielen die politischen Grenzen mit dem Verbreitungsgebiet der langobardischen, römischen und byzantinischen Barttracht zusammen. Verschoben sich die Grenzen, so war es für die neuen Herren ein wichtiges Anliegen, die neuen Untertanen dem eigenen Brauch anzupassen. So forderte der langobardische König Liutprand (†744) die Römer des von ihm eroberten Kampaniens auf, dass sie sich „nach Sitte der Langobarden scheren und kleiden“, während die sich unter die Hoheit von Papst Hadrian II (792-872) begebenden langobardischen Spoletaner sich nach „Sitte der Römer scheren mussten“. Karl der Große (768-814) erwartete vom Herzog von Benevent, dass er sich das Kinn rasiere, damit er ihn als Gefolgsmann erkenne.

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