Die Bequemlichkeit der frühen Streichhölzer im täglichen Gebrauch hatte ihre Schattenseiten. Denn der zu ihrer Herstellung verwendete weiße Phosphor ist hochgiftig und die Berichte und Bilder über die Berufskrankheiten der Zündholzarbeiter gehören zu den erschütterndsten des an solchen Schilderungen nicht armen 19. Jahrhunderts. In den Zündholzfabriken war die Luft so mit Phosphor durchsetzt, dass deren Wände und Einrichtungsgegenstände nachts leuchteten und „die Arbeiter oft solche Mengen an Phosphordämpfen einathmeten, daß im Dunkeln ihr Athem leuchtend wurde.“ Die Arbeiter, die Dämpfe einatmeten, fühlten sich krank, erschöpft und schwach. Es kam vor allem zu einer als Phosphorismus bezeichneten extremen Neigung zu Knochenbrüchen. 

„Anfangs treten heftige und häufig wiederkehrende Zahnschmerzen auf, verbunden mit starker Schwellung und entzündlicher Röthung der Kiefernschleimhaut, welche ganz allmählich intensiver werden und den ganzen Kiefer schmerzhaft ergreifen. Das Zahnfleisch wird gelockert und bald bilden sich kleinere und größere Eiterheerde, welche zusammenfließend Abcesse an den erkrankten Zähnen bilden, aus welche sich eine Menge dünnen und übelriechenden Eiters entleert.“
Georg Rudolf Schlieben, 1898


Der eingeatmete Phosphor führte im Körper zur Ozonbildung und dadurch zu einem Zerfall der Eiweiße. Die Zahnschmerzen, die am Anfang der Erkrankung standen, schienen zunächst harmlos.  Doch aus der anfänglichen Schwellung der Kiefernschleimhaut entwickelten sich Eiterherde, die sich immer weiter ausbreiteten. Nur selten war es möglich, die Krankheit in diesem Stadium noch zu stoppen, in der überwiegenden Zahl der Fälle kam es zur Nekrose des Kiefers. Bald trat nicht mehr nur Eiter aus, „sondern blutgemischte Jauche, der oft Knochenstücke beigemengt sind. Der Knochen ist angefressen, er ragt oft ganz nackt in die Mundhöhle hinein.“ 

„Allmählich löst sich dann der abgestorbene Knochentheil vom gesunden Knochen los und wird aus der Mundhöhle ausgestoßen. Auf diese Weise geschieht es, daß manche Kranke fast kieferlos umhergehen, wie man leider noch heute einige dieser Unglücklichen in einem Thüringer Walddörfchen zu sehen Gelegenheit haben kann“
Georg Rudolf Schlieben, 1898


Die Phosphornekrose ließ sich nur noch durch eine Amputation des Unterkiefers, oft auch von Teilen des Oberkiefers aufhalten, wenn der Kiefernknochen nicht von selbst abgestoßen wurde.  Oft aber war es nicht möglich, die Phosphornekrose zum Stillstand zu bringen und zeitgenössische Mediziner mussten feststellen, in fortgeschrittenen Fällen könne „der Tod nur als Erlöser von unsäglichen Qualen betrachtet werden.“

Der erste Fall trat bereits 1833 auf, und nach einiger medizinischer Diskussion war spätestens seit Mitte der 1840er Jahre der Phosphor als Ursache der dann sogenannten Phosphornekrose allgemein anerkannt. Das genaue Ausmaß der Krankheit kann nicht genau bestimmt werden, bis zu 10% aller in der Zündwarenherstellung Beschäftigten dürften an ihr erkrankt sein. Die Todesrate war hoch; im allgemeinen stellte sich die Krankheit nach fünf Jahren Tätigkeit ein – manchmal jedoch schon nach einem Jahr und manchmal erst, nachdem man bereits Jahre andernorts gearbeitet hatte.

„Kräftige Ventilation der Arbeitslokale und Abführung der Phosphordämpfe, bevor sie den Mund der Arbeiter erreichen können, bildet jedenfalls das einfachste und ein erfahrungsgemäß sicheres Mittel.“
Karl Karmarsch, 1861


Lange glaubte man, die Krankheit mit billigen, aber vollkommen unzulänglichen Mitteln wie regelmäßigem Lüften verhindern zu können.  So wurde in der Regierungsverordnung „Zur Verhütung der Kieferknochen-Krankheit in Phosphorzündhölzchen-Fabriken“ des Großherzogtums Hessen im August 1852 eine strikte bauliche Trennung der Arbeitsräume ohne Verbindungstüren und eine „angemessene Ventilation“ angeordnet. Aber mit dem vorgeschriebenen dreimaligen Lüften am Tag und dadurch, dass „nur kräftige, gesunde Individuen“ zum Tunken verwendet werden durften, die regelmäßig ausgetauscht werden sollten, war die Krankheit natürlich nicht zu bekämpfen. Selbst diese Minimalmaßnahmen wurden regelmäßig missachtet und „so befremdend es nun sein mag, ist es nichtsdestoweniger Factum, daß man unter zehn Fabriken kaum zwei findet, welche diesen Bestimmungen genüge leisten.“ 

Problematischer noch als in den Fabriken war die Herstellung der Zündhölzer in Heimarbeit. Da sie wenige Geräte erforderte, konnte sie auch unter primitiven Bedingungen erfolgen. „Nicht selten fand man … in den von der ärmeren Classe bewohnten Vierteln, mitten unter einer dichtgedrängten Bevölkerung, die ganze Zündwaarenfabrik in einer gewöhnlichen Stube untergebracht. Eine gewöhnliche Hobelbank lieferte die Holzdrähte, auf einem Kochofen wurde die Zündmasse gekocht und das erste Tunken vorgenommen; das Austrocknen der fertigen Zündhölzer geschah durch Aufhängen der Rahmen in der Nähe des Ofens.“

„Man denke sich nur eine kleine Familie auf engen Raum, welcher zum Wohnen, Kochen und Schlafen dient; beschränkt, welche aus Mann, Frau und einigen halbwüchsigen Kindern besteht. Während nun der Mann des Tags über in die Fabrik geht, bereitet die Frau daheim unter den räumlich denkbar ungünstigsten Verhältnissen mit ihren Kindern im Kleinen mit der Hand die so äußerst giftigen Phosphorzündhölzchen. Wie bald ist da diese kleine Wohn- und Arbeitsstube mit den giftigen Phosphordämpfen erfüllt, ja übersättigt, denn von Lüftung der Wohnräume, geschweige denn einer ausreichenden Ventilation ist bei diesen armen Leuten niemals die Rede.“
Georg Rudolf Schlieben, 1898


Bis zur Jahrhundertwende gelang es nicht, die Zündholzfertigung in der Hausindustrie zu unterbinden. Sie wurde entgegen allen Bestimmungen – insbesondere in Neustadt am Rennsteig, wo die ganze Bevölkerung von der Zündholzfertigung abhing – heimlich oder mit stillschweigender Duldung der Behörden weiterbetrieben. Unter diesen Bedingungen traten Fälle von Phosphornekrose bis in das 20. Jahrhundert immer wieder auf. Sie verschwand endlich durch das 1903 beschlossene, aber erst ab 1907 geltende Verbot der Herstellung von Weißphosphorzündhölzern.


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