Die meisten Herrscher des frühen Mittelalters waren glattrasiert. Otto I. (912-973) trug als erster Kaiser „einen reichlich niederwallenden Bart, und dies gegen die überlieferte Sitte“. Die Adeligen des kaiserlichen Gefolges trugen einen kurzen, gegabelten Kinnbart und einen Schnurrbart, der unterhalb der Nase ausrasiert wurde.

Von Frankreich aus verbreitete sich zu Beginn des Hochmittelalters die Mode der Bartlosigkeit. Nach der Hochzeit Heinrichs III. mit der südfranzösischen Fürstin Agnes von Poitou im Jahre 1043 stellten deutsche Geistliche empört fest, dass „die schändliche Mode französischer Albernheiten eingeführt wird, nämlich das Scheren der Bärte, die überaus anstößige, schamhafte Blicke verletzende Kürze und Hässlichkeit der Kleider und viele andere Neuerungen, die aufzuzählen zu lange dauert“.

Gerade das Abrasieren der Bärte wirkte auf die Geistlichkeit besonders abstoßend, denn das glattrasierte Gesicht war ein Kennzeichen ihres Standes und sie waren überzeugt, „dass kein Laie seinen Bart rasieren darf.“ In den Klöstern unterschied der Bart die „fratres barbati“ genannten Laienbrüder von den geweihten, glattrasierten Priestermönchen. Allerdings rasierten sich die Mönche nur in größeren Zeitabständen – im 10. Jahrhundert noch alle zwölf oder fünfzehn Tage, im Verlauf des Hochmittelalters immer seltener, manche Orden nur sechs oder sieben Mal jährlich. Obwohl die mittelalterlichen Mönche nach heutigen Maßstäben kaum als rasiert gelten würden, wurden sie von ihren Zeitgenossen so wahrgenommen.

Zwischen 1050 und etwa 1150 rasierten sich die meisten nordeuropäischen Männer. Allan von Lille berichtet um 1160, dass die jungen Männer „dem spießenden Bart mit dem Rasiermesser mit steter Heimtücke nachstellen, damit auf diesem Weg nicht eine Winzigkeit sich erdreistet, hervorzukeimen“. Die Bartmode der höfischen Zeit war abhängig vom Lebensalter. Junge Adelige gingen glatt rasiert, Herren in mittleren Jahren trugen einen vornehm gestutzten Kinn- und Wangenbart, ältere Ritter einen breiten langen Vollbart.

Oft wird angenommen, dass das Rasieren eine oberschichtliche Erscheinung blieb und der Großteil unterer Bevölkerungsschichten stets bärtig war. Doch alle höfischen Formen von Kleidung und Haartracht unterlagen der Nachahmung durch Handwerker und Bürger bis hinab zu Bauern und Hirten. Ab 1350 kam das Tragen von Kinnbärten wieder auf. Wegen des Missstandes, „der jetzt ist in den Städten und im Lande an Hochfahrt und Übermut“ ordnete der Rat der Stadt Speyer 1356 an, dass „auch kein Mann einen Bart oder Scheitel tragen soll“.

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