Sicherheitszündhölzer
Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts wurden Zündhölzer mit
dem leicht entzündlichen und giftigen weißem Phosphor
hergestellt. Aber bereits im Jahre 1845 wurde der amorphe rote Phosphor durch
Anton Schrötter entdeckt. Bei dem roten Phosphor handelt es
sich um eine Modifikation des gelben oder weißen Phosphors,
also um dasselbe chemische Element, nur mit anderen
Eigenschaften und keineswegs um ein Oxidationsprodukt, wie man
anfangs glaubte. Der rote Phosphor ist im Gegensatz zum
weißen ungiftig und schwerer entzündlich.
1848 entwickelte
Rudolf Christian Böttger unter Verwendung des roten Phosphors
die sogenannten Antiphosphor-Hölzchen, die ersten
Streichhölzer in unserem heutigen Sinne. Der Phosphor befand
sich nicht mehr in der Zündmasse, sondern wurde in einer
Mischung zusammen mit Braunstein und Leim auf einer besonderen
Zündfläche aufgetragen. Er wurde nur noch im Moment der
Zündung der jetzt phosphorfreien Zündmasse benötigt.
Sie
wurden später Sicherheitszündhölzer genannt, weil ihre
unbeabsichtigte Entzündung ausgeschlossen war. Die Tatsache,
dass nun neben den Hölzchen noch eine besondere Reibfläche
benötigt wurde, stieß jedoch auf breite Ablehnung der
Konsumenten. Die Einführung der neuen
Streichhölzer misslang, denn "niemand wollte ein
Zündholz, das sich nicht überall entzündete und große
Kisten voll wurden späterhin einfach verbrannt, weil die
Hölzer unverkäuflich waren."
Böttger hatte jedoch Verbindungen nach Schweden, wo man an
einer Verwertung der großen Waldbestände interessiert war.
So kam der Schwede John Edvard Lundström in Jönköping in
den 1860er Jahren auf Böttgers Rezept zurück. Die
Sicherheitszündhölzer eigneten sich besonders gut für eine
maschinisierte Massenfertigung. In der Folge entwickelte sich
in Schweden eine leistungsfähige Zündholzindustrie, die
große Mengen Sicherheitszündhölzer nach Deutschland
exportierte. Daher wurde der Begriff
"Schwedenhölzer" in der Folge nahezu zu einem
Synonym für Streichhölzer schlechthin.
Der
"Nachteil", nur an einer besonderen Reibfläche
entzündet werden zu können, wurde dadurch aufgehoben, dass
die parafinierten Sicherheitszündhölzchen sofort nach dem
Anreißen brannten, die geschwefelten Phosphorzündhölzer
dagegen etwa 15 Sekunden brauchten, bis die Zündmasse
zunächst den Schwefel und schließlich das Holz in Brand
gesetzt hatten. Im Jahre 1884 betrug der Anteil der
Phosphorzündhölzer an der Gesamtproduktion noch 73%. Er ging
bis zum Jahre 1901 bis auf 35% zurück. Erst im Jahre 1903
wurde in einem lange überfälligen Schritt das Verbot der
Phosphorhölzer ausgesprochen, das 1909 in Kraft trat und in
erster Linie die noch bestehende Heimindustrie traf.
Dadurch wurden nicht nur das Auftreten der erschreckenden
Fälle von Phosphornekrose unter den Arbeitern der
Zündholzindustrie unterbunden. Denn bei der Giftigkeit des
weißen Phosphors genügte der Phosphorgehalt weniger
Streichhölzer, um eine akute Phosphorvergiftung
zu verursachen. Ihre allgemeine Verfügbarkeit ließ solche
Vergiftungen in Mord- oder Selbstmordabsicht zum Problem
werden. Etwa 25% aller Selbstmorde in der 2. Hälfte des 19.
Jahrhunderts wurden mit Zündholzphosphor begangen. Hinzu kam
eine Anzahl von Morden und Mordversuchen, bei denen man dem
Opfer phosphorhaltige Nahrungsmittel oder Getränke
verabreicht hatte. Der strenge Geschmack des Phosphors war
allerdings nur schwer zu überdecken, so dass den Vergiftungen
vornehmlich Kinder zum Opfer fielen. Auch waren die
Zündköpfe ein probates Mittel bei Abtreibungen, die
allerdings bei Überdosierung tödlich enden konnten.
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